DIE IDEE:
DISCO ist ein szenischer Diskurs zum Thema Disco, ausgehend von der Annahme, daß Disco von Diskurs kommt. Die Inszenierungen in und mit der Gruppe 80 erfolgen in Form einer Montage von Texten, Bildern, Szenen, Analysen, Statistiken, Musik, Multimedia und Interaktion mit dem Publikum.
Die klassische Raumaufteilung: Bühne – Publikum findet nicht statt. Dort, wo normalerweise die Bühne steht, befinden sich Bar, Dj Pult, Tanzfläche und Sitzgelegenheiten. Dem thematischen Überbau Disco wird so eine reale Clubsituation atmosphärisch hinzugefügt. Beleuchtet wird die Disco als Location, wo Alltagsleben und Biographien aufeinanderstoßen, aber auch als Ausdruck zeitgeistiger/gesellschaftlicher Erscheinungen. Textpassagen und Szenen handeln von bekannten und selbst erlebten Bedürfnissen und Situationen - sie sind der Diskurs, den der/die ClubbesucherIn sowohl mit sich selbst, als auch mit anderen abhält. Die Übergänge zwischen den einzelnen Texten und Szenen sind so flüssig wie die Musikübergänge des Dj´s und passieren wie beiläufige Gedankengänge. Diskussionsrunden mit illustren und schrägen Gästen, live Performances von Künstlern und wechselnde Dj Sets geben den Abenden eine individuelle Gestaltung und bestimmen den Verlauf des Geschehens mit.
Ziel der Inszenierung ist, das Publikum in die Szenerie eines authentischen Clubabends zu versetzen, den es aufgrund des Diskurscharakters äußerst bewußt erlebt. Sozusagen ein Clubabend mit Mehrwert. Über 90 Minuten wird hier laut nachgedacht über etwas, das viele der BesucherInnen selbst kennen und mit ihren eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen aufladen, das jedoch durch die Bewusstmachung eine neue Form der Blickschärfung erfährt.

VON UND MIT:

DAVID SCHALKO

AMINA HANDKE

MIRJAM SLAMAR

HELMUT WIESNER

HELGA ILLICH

GABRIELA HÜTTER

HELMUT BOHATSCH

HARY PRINZ


Disco ergo sum

Von Disco zum Diskurs

Ein Raum, eine Tanzfläche darüber eine Discokugel. Ein DJ-Pult, eine Bar, vereinzelt Tische und Stühle. Gedämpftes Licht und laute Musik - eine Disco eben.
Die Inszenierung 'Disco ergo sum' ist kein gewöhnliches Theaterstück. Statt der klassischen Raumaufteilung Bühne-Publikum und vorgefertigten Dialogen findet hier Interaktion mit dem Publikum statt, ohne Bühne, teilweise improvisiert. Die Schauspieler sind mittendrin im Geschehen und fallen nur dann auf, wenn ihr Mikro angeht und die Scheinwerfer auf sie gerichtet sind. Fast beiläufig werden Geschichten erzählt, Gedanken ausgetauscht - ein Diskurs eben.

Alles nur Theater...

Textpassagen und Szenen handeln von bekannten und selbst erlebten Bedürfnissen und Situationen: Mitten im Discogeschehen trifft man auf einen jungen Mann. Er flirtet heftig mit einer jungen, sehr hübschen Frau. Die wiederum flirtet nicht nur mit ihm, sondern auch mit anderen Männern. Eifersucht, es kommt zu einer Rauferei. Szenenwechsel. Die junge, sehr hübsche Frau singt ein Lied und dankt anschließend "her mommy and her little dog", ganz in Britney Spears Manier. Aber unlike Miss Spears erzählt die junge, sehr hübsche Frau von ihren Erfahrungen mit Männern, die immer nur das Eine von ihr wollen, nämlich Sex. Sex scheint wie ein Schleier auf den Discobesuchern zu liegen. Man trifft überall auf ihn, in Gesprächen und Gedanken, und man trifft ihn in allen vorstellbaren Varianten, anal oder oral. In der Disco trifft man aber auch auf das Leben fern der Partygesellschaft: in Form eines älteren Mannes, der auf den ersten Blick wie ein Obdachloser aussieht, betrunken ist und jeden nach seiner Tochter fragt. Die sucht er nämlich. Auch die Discobesitzerin trifft man, die Geburtstag hat und sich selbst ein Lied spielt. Und auf einer Videoleinwand begegnet man der Klofrau und dem Türsteher, die uns an ihren Gedanken teilhaben lassen.

...oder doch das wahre Leben?

Plötzlich liegt da ein Mikro alleine auf einem Barhocker in der Mitte der Tanzfläche. Und plötzlich geht jemand aus dem Publikum oder einer der Schauspieler hin und redet über Sex oder Politik oder über das Wetter. Plötzlich vermischt sich die Realität mit der Theaterwelt. Ein beklemmendes Gefühl irgendwo in der Magengrube. Was passiert hier? Man fühlt sich provoziert, hat das Bedürfnis auch auf die Tanzfläche zu gehen und seine Meinung zu sagen. Diskurs findet statt. Plötzlich, ganz unerwartet tun sich neue Erkenntnisse auf. Disco ergo sum. Ich lerne also bin ich.


(Marianne Lang für FM4, 09.01.03)